Zur Vertiefung: Büßen

"Das musst du büßen!" sagt der kleine Junge auf dem Schulhof, als er von einem anderen zu Boden gestoßen wird. Und so verstehen wir ja das Wort "büßen" in unserer Alltagssprache auch oft: Jemand muss etwas abbüßen! - Oder: Jemand muss ein Bußgeld bezahlen! Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass einer für ein Vergehen oder Verbrechen bestraft wird ; diese Strafe wird abgebüßt. So wurde auch in der Kirche lange die "Buße" verstanden. Wer das Bußsakrament empfangen hatte, musste anschließend noch ein Bußwerk leisten, also Buße tun; das war in etwa der Preis der Vergebung. In ferner Vergangenheit waren die auferlegten Bußwerke oft kaum zu leisten; manche Leute mussten ja sogar eine Bußwallfahrt zum Grab des hl. Jakobus in Santiago de Compostella machen. Buße war manchmal ein lebenslanger, demütigender Prozess.


Wir haben heute ein Buß-Verständnis, das sich eher an Jesus und seiner Botschaft orientiert, wie es uns die Evangelien erzählen: Jesus verkündet: "Die Zeit ist erfüllt, und das Reich Gottes ist herbeigekommen. Tut Buße und glaubt an das Evangelium." (Markus 1, 5) Jesus droht also in seiner Bußpredigt nicht Untergang oder Strafe an, sondern lädt die Menschen in das nahegekommene Gottesreich ein; die Hoffnung der Menschen auf Gemeinschaft mit Gott wird erfüllt, in Jesus ist das Reich Gottes da: ein Anlass zur Freude. Das biblische Wort für "Buße" heißt "Metanoia", richtig übersetzt: Umkehr! Also nicht "Strafe" oder "Bußleistung", sondern Umkehr von einem Leben außerhalb der Liebe Gottes zum Leben mit Gott, mit einem menschenfreundlichen Gott. Wer sich unter die gütige Herrschaft Gottes begibt, ist ein neuer Mensch. In der Umkehr, der "Buße", erfüllen sich alle menschlichen Sehnsüchte nach einem gelungenen Leben. Jesus möchte, dass sich die Menschen diesem guten Gott anvertrauen und ihr Leben von jetzt an von Gottes Weisung bestimmen lassen.


Buße ist also der Weg der Umkehr von einem hoffnungslos egoistischen Leben zu einem Leben in der unbegreiflichen Gottesliebe. Die Geschichte vom barmherzigen Vater in der Bibel illustriert das ja sehr gut: Der Weg der Umkehr ist ein Weg in die Arme eines guten Vaters; es sind keine Bußübungen in Sack und Asche zu leisten, sondern es beginnt ein neues Leben in den Armen des Vater, der in seinem Herzen schon lange unterwegs zu seinem Sohn war, und das ist nun der Anlass zu einem herrlichen Fest. Umkehr ist etwas Faszinierendes. Deswegen ist im Bußsakrament (das wir vielleicht besser "Sakrament der Umkehr" oder "Sakrament der Versöhnung" nennen sollten) die Umkehr das erste; die versöhnende, vergebende Neuaufnahme ist dann die Antwort darauf.


Es könnte sein, dass das Versöhnungssakrament wieder eine ganz neue Dimension der Zustimmung fände, wenn ähnlich wie in der Geschichte vom Sohn und vom Vater der Feier der Versöhnung ein richtiges Fest der Versöhnten folgen würde, wie es übrigens in manchen Kirchen der sogenannten "Dritten Welt" durchaus üblich ist: Versöhnung als Grund eines gemeinsamen Festes! Da verliert dann das Wort "Buße" seinen dunklen Klang und wird wieder das, was Jesus damit gemeint hat.

 


Medientipp:
Ulrich Zurkuhlen
Glaube im Wandel; 60 Schlüsselbegriffe erklärt
Kevelaer, Butzon und Bercker; Münster, Dialogverlag 1999
ISBN 3-933144-20-5


Text: Ulrich Zurkuhlen, Kirche+Leben

Foto: Michael Bönte, Kirche+Leben